Diese lohnenswerte Tour nahe eines der wohl bekanntesten deutschen Wahrzeichens, dem Schloss Neuschwanstein, ist etwas für Klettersteigeinsteiger oder jene, die bereits sehr trittsicher sind und etwas Kraxelei suchen. Die Aussicht auf die umliegenden Sehen und Hochenschwangau bei Füssen ist überwältigend. Spaß, Anstrengung, Konzentration und Genuss pur findet man auf dem Gelbe Wand Steig am Tegelberg im badisch-schwäbischen Ostallgäu in Bayern.
Tourdaten
Route (↑↓810 hm, 6.0 km, 5.5 h)
Parkplatz der Tegelberg Talstation (811 m) – Gelbe Wand Steig – Rohrkopfhütte (1359 m) – Parkplatz der Tegelberg Talstation
Alternative Route
Die Tour kann zum Teglberg (1707 m), den Branderschrofen (1879 m) und/oder zur Ahornspitze (1784 m) erweitert werden. Statt dem Rückweg über die Rohrkopfhütte kann zwischen Torkopf (1525 m) und Tegelbergkopf (1567 m) hindurch in Richtung Schloss Neuschwanstein (910 m) abgestiegen werden (dieser Weg war aufgrund der unbefristeten Sperrung der Marinenbrücke im Herbst/Winter 2015 nicht begehbar).
Datum
7. Nov. 2015
Charakter
A / K1 – Eine steile, nicht einsame Tour mit einiger einfachen Kraxelei für Geübte und trittsichere Wanderer – ein super Anfängerklettersteig für jene die sich mit dem Sport vertraut machen möchten oder mit Kindern unterwegs sind. Aufgrund des durchaus nicht zu unterschätzenden Höhenunterschieds und steilen Geländes sollten ausreichend Kondition und etwas alpine Erfahrung vorhanden sein. Klettersteigset und Klettergurt sowie ein Helm sind empfehlenswert.
Tourenbeschreibung
Nina und ich suchten eine Tagestour mit toller Aussicht und ein paar Kraxelstellen. Wir wollten aber nicht gleich 1000 Höhenmeter oder mehr bewältigen müssen; zu schwierig sollte es auch nicht werden. Das hat zur Folge, dass man deutlich höherfrequentierte Routen in Kauf nehmen muss. Das war uns jedoch ausnahmsweise mal egal, sodass wir in das Tourigebiet schlechthin fuhren. Der Tegelberg ist der Hausberg für alle Einwohner von Füssen. Die Tegelbergbahn bringt wahnsinnig viele Drachen- und Gleitschirmflieger auf den Gipfel. Der Forggensee, der Alpsee und das Schloss Neuschwanstein sind natürlich Publikumsmagnete in dieser Region.
Wir parken auf dem kostenpflichtigen Parkplatz an der Talstation der Tegelbergbahn. Hier haben wir gleich eine wichtige Lektion gelernt: Wo mehr Menschen sind, gibt es keine kostenlosen Parkplätze, also immer eine Handvoll Kleingeld im Auto haben. Wir folgten dem Fluss der Menschen auf einem breit geteerten Weg. Der Anstieg wurde schnell ungewohnt steil. Da wir noch nicht warglaufen waren, wurden wir sogar von den Lokals älterer Generationen überholt. So fit möchte ich auch im Alter sein! Nach zehn bis fünfzehn Minuten mussten wir dann rechts auf einen schmalen Pfad abbiegen, der mit Felsbrocken und Wurzeln durchsetzt war. Die Steigung blieb gleich, nur das Publikum sah etwas professioneller aus. Hier verierren sich keine typischen Touris hin, da der einzige Weiterweg ein Klettersteig ist.
Genaugenommen gibt es zwei Klettersteige, den Gelbe Wand Steig (Schwierigkeit A/B) und den Tegelbergsteig (Schwierigkeit C). Zunächst verläuft der Zustieg zu beiden Klettersteigen durch den steilen Wald, bevor es lichter wird und man vor einer Schuttrinne steht. Auf dem Weg bis hierhin standen einige Hinweisschilder über Klettersteige – welche Ausrüstung wird benötigt, welche Techniken, Verhaltensregeln und Gefahren gibt es? Dazu muss man sagen, dass der Gelbe Wand Steig als Übungsklettersteig ausgeschrieben ist. Anfänger und Kinder können hier in einfachem Terrain in die Welt der Klettersteige eingeführt werden. Trittsichere und erfahrene Bergwanderer können den Gelbe Wand Steig ohne Probleme ungesichert gehen, wobei ich hier auf keinen Fall dazu ermuntern möchte. Die Selbstsicherung ist immer sinnvoll. Etliche bisher begangene Touren haben Seilversicherungen, die nur als solche ausgezeichnet sind, wo eine Sicherung viel empfehlenswerter ist. Nach einer erneuten Querung der Rinne, geht es nun ans sauber verlegte, relativ neue Stahlseil.
Wenn hier viele Leute unterwegs sind, ist wohl aufgrund der Steilheit des Geländes, die Gefahr von Steinen getroffen zu werden größer, als abzustürzen. Insofern ist ein Helm wärmstens zu empfehlen. Generell sollte man sehr vorausschauend vorgehen und in gefährdeten Stellen genügend Abstand zum Vordermann halten. Dann lässt sich die Tour perfekt genießen.
Schnell kraxeln wir empor und können den wahnsinnigen Ausblick auf den Forggensee und das Hinterland genießen. Auch der Spaß kommt keineswegs zu kurz. Die konzentrierte, vorsichtige, dynamische und flinke Fortbewegung im Klettersteig ist eine tolle Mischung und trainiert Körper und Geist. Es sind immer genügend, einfache und große Tritte vorhanden. An vielen Stellen konnten wir sogar ganz normal aufrecht gehen. Die kurzen Abschnitte, auf denen das Seil unterbrochen ist, sind vollkommen unkritisch. Genau an einer solchen hängt eine Leiter an einer Felswand. Sie markiert den Einstieg in den Tegelberhklettersteig und sollte, aufgrund der höheren Schwierigkeit C, nur von Geübten begangen werden. Zudem ist für diesen Abstecher die komplette Sicherungsausrüstung Pflicht. Dementsprechend viele legten hier ihr Gurtzeug an oder überprüften noch einmal ihr Material.
Das nächste Mal, so nahmen wir uns vor, wollten wir ebenfalls diese Route wählen. Für uns ging es aber erstmal unschwierig weiter. Es folgt eine Seilbrücke von circa drei Metern länge. Wir haben Sie umgangen, da wir nach wie vor ungesichert unterwegs waren. Weiter geht es mit einigen Felsaufschwüngen und Querungen, die teils aufrecht, teils auf allen Vieren überwunden werden konnten. Da es deutlich flacher wurde, waren auch weniger Seilsicherungen angebracht. Sofern welche vorhanden waren, war es meist einfacher ohne sie zu gehen oder sie höchstens als Handlauf zu verwenden. Durch die zunehmende Höhe konnten wir nun neben dem Forggensee auch die kleineren Seen Bannwaldsee im Vordergrund und Hopfensee im Hintergrund sehen. Friedlich lagen Sie in der Sonne, von der wir bis hier noch nicht sehr viel abbekommen hatten. In der Mitte es tollen Panoramablicks liegt der Rohrkopf mit seiner gemütlichen Rohrkopfhütte, die eine herrliche Sonnenterasse, leckere Getränke und üppige Speisen bereithält.
Ein Stückchen weiter stießen wir auf eine kleine, in der Felswand befestigte Bank, die wohl von Klettersteiglehrern zum Durchzählen oder für weitere Lektionen genutzt wurden. In der Kulisse zwischen den Gelbe Wandschrofen und dem Torkopf ging es weiter. Es erfüllt einen mit Stolz und Zuversicht, nicht eine der wiederkehrenden Gondeln benutzt zu haben. Durch dieses Sichtfenster taucht nun auch der Alpsee auf. Im Hintergrund ist schon der Naturpark Tiroler Lech in Österreich zusehen. Dort erheben sich die Grosse Schlicke (2059 m), die Karretschrofen (2034 m), die Bugschrofen (1974 m) und davor das Plattjoch (1895 m).
Nachdem nur noch wenige Aufschwünge bevorstanden, tauchte eine bizarre Felsformation auf. Fein säuberlich scheint hier jemand einen stolzen Vogel aus dem Stein gearbeitet zu haben. Weiter links und etwas darüber war auch schon die Bergstation der Tegelbergbahn zusehen. Noch einige Meter höher trifft der Tegelbergsteig wieder auf unseren Weg.
Nun bekamen wir immer häufiger die Sonne zu spüren; wir traten aus dem Schatten heraus. Wir waren schon fast ganz oben und suchten ein gemütliches Plätzchen zum Rasten. Es ist immer wieder unglaublich, wie viel leckerer einfacher Käse vom Block, selbstgebackenes Brot und gekochte Eier bei herrlicher Aussicht und frischer Luft schmecken. Die Beine ausstrecken und baumeln lassen zu können ist ein himmlisches Geschenk nach einer solchen Anstrengung.
Gestärkt ging es weiter, bis wir an das Schild kamen, welches uns den Weg Richtung Schloss Neuschwanstein versperrte. Wir dachten uns, wenn wir schon viele Menschen um uns herum dulden müssen, dann wenigstens auch die Touri-Sehenswürdigkeiten mitnehmen. Aufgrund einer Sperrung der Marinenbrücke auf unbestimmte Zeit, mussten wir jedoch einen anderen Abstieg wählen.
Wir entschieden uns zur Rohrkopfhütte abzusteigen und uns noch ein erfrischendes Getränk zu gönnen. Zuerst ging es einen breiten matschigen Hang hinab, dann trafen wir wieder auf einen breiten Schotterweg. In einer Senke entdecke ich den ersten Schnee des Winters. Anschließend ging es über einen Skihang direkt bergab, immer mit direktem Blick auf die langsam nahende Einkehrmöglichkeit. Auch konnten wir von hier wieder zahlreiche Gleitschirm- und Drachenflieger bei ihrer lautlosen Luftakrobatik zusehen.
Der Hang war so steil, dass wir es angenehmer fanden, hinab zu joggen. Rückblickend betrachtet war es aber mindestens genauso anstrengend. Wie gerufen kam schließlich die Terrasse der Rohrkopfhütte und siehe da, es war voll, aber für uns war ein gemütlichen Plätzchen in der Sonne frei. So saßen wir auf echten Fellen, die zugegebenermaßen etwas, aber auch nur einen Hauch zu warm waren.
Das Radler und der Almdudler sind wirklich sehr zu empfehlen. Auch die Käseplatte sah äußerst verlockend aus, doch hatten wir uns ja bereits ein paar hundert Höhenmeter weiter oben den Bauch vollgeschlagen. Und der Dialekt der Einheimischen klingt jedes Mal urkomisch und vertraut zugleich. So dösten wir noch eine halbe Stunde in der Sonne und genossen die Atmosphäre.
Weiter ging es, auf festem Weg durch den Wald. In Zahllosen Serpentinen schlängelte er sich hangabwärts. An einer lichten Stelle konnten wir nun auch auf dieser Route – wenn auch deutlich weiter entfernt, als bei der ursprünglich geplanten Route – das ehrfürchtig anmutende Schloss Neuschwanstein sehen. Von dort muss man einen genialen Ausblick über das Flachland haben. Kein Wunder, dass König Ludwig II hier sein gesamtes Hab und Gut und all seine Zeit hineingesteckt hat. Eine wahrhaftige Theaterkulisse, die er sich für das romantischste und umstrittenste der unzählbaren Bauten ausgesucht hatte.
Tiefer konnten wir noch einen Blick auf unsere Aufstiegsroute am Ende der etwas helleren Schuttrinne über den Gelbe Wand Steig bewundern. Aus der Ferne betrachtet, wirkt es häufig, wie eine unbezwingbare, viel zu steile Wand. Das hat mich schon auf einigen unserer Touren jedes Mal aufs Neue fasziniert.
Auf der Rückfahrt merkten wir, dass das Schloss auch von Weitem wie ein Märchenschloss wirkt. Eine perfekte Harmonie zwischen dem Tegelberg und den flachen saftigen Feldern. Inmitten dieser imposanten Gegend musste doch jemand ein Schloss errichten. Hier kann man es sich gutgehen lassen.
Die Tour war allemal lohnenswert und kann nach Belieben erweitert werden. Wer fit genug ist und mit der Klettersteigwelt bereits etwas vertrauter ist, dem bietet sich der Tegelbergsteig an. Der Gipfel der Branderschrofen (1879 m) sowie die Ahornspitze (1784 m) sind ebenfalls gut zu erreichen. Allerdings handelt es sich keineswegs um eine einsame Touren.
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